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Schüler, Lehrer


Kurzgeschichten

Bericht aus Amerika des ausgewanderten Christoph Städler

1879
Wegen seiner Liebe wurde der Lehrer Bartels strafversetzt

21.3.1897
Die Kaiser Wilhelm I Eiche vor Kleines Krug

20. Jan 1955

Bericht aus Amerika des ausgewanderten Christoph Städler

Anmerkung:
Christoph Städler wurde am 6.10.1923 als 8.Kind des Halbkötners Daniel Städler und seiner Frau, geborene Wissel, geboren. Noch unverheiratet schiffte er sich am 21.April 1854 in Bremen ein, um in die Vereinigten Staaten von Nordamerika auszuwandern.
Von seinen Geschwistern lebten nur noch eine nicht in Gestorf verheiratete Schwester und der älteste Bruder Heinrich Städler, der den väterlichen Halbktönerhof Nr.75 am Schafwege angenommen hatte.
In seinem Brief an den Bruder schildert Christoph Städler seine Überfahrt nach Amerika, seine ersten Erlebnisse in New York, seine ersten Geldverdienste und seine ersten Eindrücke. Weil Bürsten in seinem neuen Lebensbereich sehr teuer sind, erhofft er sich im Bürstenverkauf ein Geschäft und fordert seinen Bruder auf, ihm mglichst viele Bürsten aus Gestorf zu schicken.
Die Schreibweise ist die des 19.Jahrhunderts, etwas unbeholfen und für den Leser unserer Zeit sehr fehlerhaft. Die heutige Rechtschreibung hat sich erst um die letzte Jahrhundertwende nach dem Duden herausgebildet.
Ich werde seine Schreibweise beibehalten, jedoch die gänzlich fehlenden Zeitzeichen und fehlenden Wörter möglichst ersetzen und einigeSätze für die heutige Zeit verständlich machen. Insgesamt sind Christoph Städler seine Erlebnisse inhaltlich gut geschrieben und lesenswert:


Petterson, den 20.Januar 1855

Lieber Bruder!

Wenn ich dich mid meinen Schreiben bei guter Gesundheit anträffen werde, das wird mir freylich freuen. Was mir anbetrifft bin ich gesund und munder und auf meiner Reise gesund gewesen. Wir haben mehr mahl Sturm gehabt, aber ohne Große gefahr. Es hat auch viele Kranke auf unsern Schiffe gegeben, nur wenig sind davon gekommen. Blos habe ich mir einmahl übergeben musen. Das ist meine ganze krankheit gewesen. Gestorben sind keine auf unsern Schiffe. Wir haben meistenteils unsere Fard mid Süd und Nordwestwind gemacht, nur 3 Tage Ostwind, welches uns sehr Schnell voranging. Wir hatten einen Captain und Steuermann und Mattrosen und gutte lebensmittel. Fleisch hatte (ich) in den ersten Tagen soviel, das ich es kaum alle bezwingen konte, da sie in meiner Cammer alle krank waren. In den lezten wurde es sparsamer, da brauchte ich doch aber nicht zu hungern weil ich mir in Brehmen gut eingekauft. Ich hatte mir eine kleine Tönchen Rumm gekauft, welches nur 1 Taler und 9 groschen kostete, und brod und kähse und zwei Buddelchen Olankswein (?) und Brandwein und ahlwein zum abführen welches sehr notwendig war auf dem Schiffe. Mein Geld hatte ich klein gemacht dan ich behild nur noch eine toppelte Luisdor brig. Es kam mir dies aber alles auf meiner (Reise) gud zu Statten. Wir haben unser Reise in 35 Tagen gemagt. Am 21 (April) sind wir in Bremen abgefahren und den 27.Mai (1854) landeten wir in Newyork.

Meine ankunft in Newyork war nicht gud. Ich begab mir sogleich Peins aufzusuchen, welches mir aber sehr schwer hild indem ich keine Straßen kante. Ich konte sie freilich lesen, aber nicht aussprechen, wie sie auf Englisch gesprochen wurden weil ich es nicht versteh. Ich fand zuletz durch hin und her fragen die Stritt und das nummer. Aber zum unglück wohnte er nicht mehr (dort), sondern wohnte eine halbe Stunde weiter oben in der Stadt, wo ich den abend (seine) adresse nicht mehr erfahren konte. Der Hauswird wußte es nicht, und es war bei der herumlauferei auch abend geworden. Ich begab mich auf meinen Rückweg. Nach den Schiff zu gehn war vergeblich, dan weil es bei der gelegenheit nacht geworden war. In Deutsches Wirdhaus fürchtete ich mich um anzufallen zu werden, den weil (es) viele schlechte Wirdhuser gibt, und mir deshalb beschloß, an den Hafen zwischen den Bredern mein Nachtlager zu suchen, welches ich auch taht. Die (Nacht) daurte mir lang. Bei Tages anbruch war ich schon wider zu Beine, um mein Schiff zu suchen, dan nach langen (Suchen) auch fand. Nun wurden die Waren nach gesehen und in das Wirtzhaus (gebracht), und dan (ging ich) um Arbeit zu bekommen war, welche ich aber auch bald fand. Als ich noch auf den Schiffe war, kam ein Meister zu mir, welcher ein Würtenberger war. Eine Kiste war aber schon in Wirthause und mir deshalb den Tag zum spaziren gehn benutzte. Mein Lohn, 6 Tlr Monadlich und reine Wesche, (im) 2.Monad erhild (ich) 7 Tlr. und das 3.Monad 8 Tlr. wo ich mich mid begnügte bis ich erfahrung bekam, und wie ich beinah 6 Monad zurück gelegt hatte. (ich) Machte 3 Wochen vor Weinachten ins Land nach Petterson, wo ich bis jetz noch bin und wöchentlich 2 Tlr. habe und auf frühjahr denke ich noch mehr zu haben.

Peins. Seid der Zeit das ich aus Newyork bin, weis ich von Peines nichts. Da ich sie verließ, waren sie beide gesund und munder. Aber sehr sind sie betrübt ber ihren Sohn gewesen, welcher im Sommer an der Underleibesenzündung gestorben ist. Auch hat die Kollera in Newyork Stark gehaust, (an) welcher wöchendlich 800 - 900 (Menschen) starben. Ich selber war nicht sicher davor, weil mein Neben(ge)sell sie auch Krichte und ins Hosspitahl mußte. Aber ich bin glücklich davon gekomen.

Es ist hir eine Teurung vorhanden, welches der Krig mit sich bringt, den weil viel zu viel Mehl nach Engelang geht. Aber die Teurung Machte hir nichts aus, wen die Fabriken nicht alle arbeitslos lagen und wo sich so viele hunderttausend in nähren und jetz keine arbeit haben und also viele hunger leiden müssen. Die Tonne Mehl kostet zwölf Tahler, 2 Thaler mehr wie vorges Jahr.

Lieber Bruder, ich (habe) eine Bitte an dir, welche Du mir, wenn Du willst, helfen konntest, wen es sonst in Deinen Kreften steht. Wen es mglich wäre, lieber Bruder, und es in Deinen Kreften steht, so schicke mir, lieber Bruder, Bürsten, welche hir sehr teuer sind. das Pfund kostet hier 3 Thaler. Lieber Bruder, schicke mir so viel wie Du wilst, wenn es auch 100 Pfund sind. Ich kan sie hir teuer verkaufen und ein schönes Kaptahl daraus machen. Was Du daran verdinst kanst Du dir berechnen und was Du mir mehr schickts, als mein vermögen anbelangt, kanst Du gleich bekomen. Wonicht, so schicke mir doch für das, was mein vermögen anbelangt, auf das ich meinen anfang nicht brauche so gering anzufangen. Oder wen Du denkst, das es in Deuschland gud wird, so schreib mir es. Was mir anbelangt, gefelt es mir soweit ganz gud. Der, wer sein Leben redlich durchbringen will, mus allerwegen arbeiten. Ich für mei antheil kan nicht klagen, den ich habe gutten Lohn zu zimlich. Aber sehr vielen gehts hir sehr schlecht. Die ihre arbeit nicht verstehn und gud was annehmen wollen, deren müssen viele Hunger leiden und finden kein underkomen. Dem vorzglich dis Jahr laufen hir viele herum, welches freilich nur Burschen sind, die wegen ihr Millitärstand verlaufen, wan sie man in Amerika sind. Auch sind neulich 20 Straflinge wider nach Belgen, wider auf des Kapthäns Kosten zurck geschickt. Auch sind viele Schiffe verloren, gegen welche mit ...(?) darauf waren (?). Auch ist ein Schiff, welches mit uns den Bremerhafen verlis in Englischen Kanahle undergegangen, welches ein Amerikaner Schiff war und his Romeride, mid 240 (Menschen?), und nicht einer (hat) sein Leben gerettet, nur vier Mattrosen, welche die Wache gehabt haben. Nämlich ein Englisch hat es ber ...(?)

Bevor ich schließe, habe ich dir, lieber Bruder, zu bemerken, das, wenn Du mir Bürsten schicken willst, und sie mir nicht durch aufrichtige und gud bekante Leute schicken kanst, so wende dich, lieber Bruder, an den Agenten in Hannover, der wird dier genau auskunft davon geben. Wen Du soltest mehr ausgeben, als was Du mir brauchst zu geben, ich habe lieber Bruder, (dir) das zutraun geschenkt, also schenke mir dasselbe zutrauen auch. Ich werde wünschen, das mein Schreiben nicht und meine Bitten nicht (vergebends) sein mögen. Hiermit wollen wir schließen. Viele Grüße an den Ackermann Conrad Schild und viele Grüße an die Geliebte Schwester und Grüße vilmals Schwäger und Schwägerin und alle Freunde und Bekante von mir. Vergiß Mensings in Hüpede nicht.

Es Grüßen Dich Dein Dich liebender Bruder C. (Christoph) Städler.


Spätere Nachrichten von dem Verbleib des Christoph Städlers sind nicht vorhanden.

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