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Kurzgeschichten1700 - 1750
Das Hammellaufen - Eine Hochzeitssitte der Schäfer
... sie wollten keinen alten abgelebten Pastor zum Pfarrherrn haben
1711
Der neue Pastor wollte für die v. Ilten zu Gestorf und den Adel nicht beten
1711/12
Pastor König musste sich fügen. Er wollte bei Beerdigungen v. Iltenscher Familienmitglieder kein Sondergeläut geben
1728/1731
Das gestohlene Altarlaken
1749
Auch Pastor Klippe wollte für Georg v. Ilten kein Sondersterbegeläut geben
| | 1710... sie wollten keinen alten abgelebten Pastor zum Pfarrherrn habenPastor Levin Casper Lüdemann, Pfarrherr in Gestorf, war am 4.Mai 1710 gestorben.
Wenn die Gestorfer Pfarre neu zu besetzen war, hatte das Kloster Loccum als Patronatsherr der Gestorfer Kirche
das Vorschlagsrecht, diese Pfarre mit einem vom Kloster auserwählten Pfarrer neu zu besetzen.
Das fürstliche Konsistorium musste den Vorschlag des Klosters genehmigen und die Gemeinde Gestorf
musste nach einer Probepredigt des neuen Pastors ihre schriftliche Zustimmung geben.
Das Amt Kalenberg und der Superintendent sorgten in der Vakanzzeit für einen regelmäßig abzuhaltenden
Gottesdienst und die Fahrten für das Heranholen ortsfremder Prediger und deren Rückfahrt in deren Pfarrort.
Schon einmal, 1588, hatte das fürstliche Konsistorium gegen den Willen des Klosters Loccum und gegen
den Widerstand der Gemeinde den alten Pastor Brandes von seinem langjährigen Pfarrort Jeinsen nach Gestorf versetzt,
weil in Jeinsen eine Superintendentur errichtet werden sollte.
Damals, wie 1710, war den Gestorfern an der Besetzung ihrer Pfarre mit einem alten abgelebten Pastor nichts gelegen.
Wegen gesundheitlicher Schwäche konnten diese ihre Amtspflichten vielfach nur schlecht verrichten,
mussten damals aber bis zu ihrem Tode im Pfarrdienst bleiben.
Nach dem Tode hatte die Gemeinde die Pfarrwitwe bis an ihr Lebensende zu versorgen.
Die Gemeinden waren um 1710, 62 Jahre nach dem Ende des 30jährigen Krieges, noch arm.
Jeder Pfarrwechsel und die Versorgung einer Pastorenwitwe kosteten Geld.
Bei der Einstellung eines alten und außerdem noch kranken Pastors war vorauszusehen, dass dessen
Amtszeit nur kurz sein würde.
Nun, nach dem Tod des Pastors Lüdemann, wollte das Kloster Loccum im Einvernehmen mit dem
fürstlichen Konsistorium den langjährig in Bakede amtierenden alten
Pastor Hermann Backhausen von Bakede nach Gestorf versetzen.
Als dies in Gestorf bekannt wurde, wendete sich die gesamte Gestorfer Einwohnerschaft und der Adel gegen diese Absicht.
Trotzdem musste gegen den Willen der Gemeinde Pastor Hermann Backhausen am 19.10.1710 zur Vorstellung in
Gestorf eine Probepredigt halten.
Was vor und nach diesem Tage geschah und wie sich die Gestorfer verhielten, ist aus zwei
(gekürzten) Briefen "sämtlicher Gestorfer Eingepfarrten an die fürstlichen
Konsistorial- und Kirchenräte zu Hannover" zu ersehen:
"...
Nach dem schon vor einem 1/2 Jahr geschehenen Ableben des seligen Predigers Lüdemann habe die Gemeinde Gestorf
die große Beschwernis gehabt, alle Sonntage und auch sonst bei vorfallenden Festtagen und Begebenheiten,
um den Gottesdienst abhalten zu können, einen fremden Prediger mit einem Spannwerk abholen und wieder
zurückbringen müssen.
Und obgleich ihnen solche Beschwernis wegen der Samen- und Erntezeit sehr hinderlich gewesen, hätten sie
doch alles in Geduld ertragen in der Hoffnung, dass sie dagegen mit einem guten Subjekto
(gemeint ist ein neuer Prediger), womit diese große und volkreiche Gemeinde Gestorf verwahret sein
könnte, wiederum würden versehen werden.
Sie hätten aber leider das Widerspiel und seien von den Beamten in Kalenberg gezwungen worden,
einen alten, abgelebten und ungesunden Prediger, den Herrn Pastor Hermann Backhausen von Bakede abzuholen.
Dieser alte ungesunde Prediger, welcher der Gemeinde Gestorf gestern, den 19.Oktober 1710, vorgestellt werden sollte,
hatte schon bei der Abholung so wenig Kraft, dass er nicht selber auf den Wagen
kommen konnte und von zwei Männern darauf gehoben werden musste.
Gestern sei bei der von dem Superintendenten gehaltenen Veranstaltung die
Vorstellungspredigt leider sehr übel abgelaufen.
Kaum war der Gottesdienst angegangen, da sei der alte Mann in der Kirche niedergefallen, vom Schlage
oder einem anderen Übel zu Falle gerührt, konnte weder Hände noch die Füße regen
und musste sich von einigen Männern aus der Kirche nach dem Pfarrhaus tragen lassen.
Darauf reisten auch die zur Instruktion und zur Einführung verordneten Commissari wieder ab mit dem
Bescheid an die Gemeinde, dass sie am folgenden Sonntag mit der Einführung wiederum fortfahren wollten.
Der Gemeinde Gestorf sei aber mit einem alten, abgelebten und kranken Prediger nicht gedient.
Da er auf Grund seiner Schwachheit leicht mit Tode abgehen könne, so habe die Gemeinde Gestorf,
ohne einen Dienst von diesem Pastor gehabt zu haben, dessen Witwe zu unterhalten.
Dieses müsste eigentlich der Gemeinde Bakede obliegen, die zur Zeit
seiner Lebenskraft den Genieß von diesem Pastor gehabt.
Nun ersuchen sämtliche Eingepfarrte zu Gestorf die Herren fürstlichen
Konsistorial- und Kirchenräte, sie mit diesem alten gebrechlichen Prediger zu verschonen.
..."
Der Brief ist im Namen der ganzen Gemeinde von
Burchardt v.Ilten, Friedrich v.Ilten und von Jost Johann v.Jeinsen unterschrieben worden.
Vermutlich ist, wie die Commissari der Gemeinde Bescheid
gegeben, am folgenden Sonntag, den 26.Oktober, wiederum der Versuch einer Einführungspredigt des
Pastors Backhausen gemacht worden, der wiederum misslang.
Zwar ist kein Bericht über den Verlauf dieses Gottesdienstes vorhanden, aber aus dem nachfolgenden
Beschwerdebrief der Gemeinde an das fürstliche Konsistorium, der viel drastischer und missbilligender
als der erste Brief gehalten ist, geht dies hervor.
Da in diesem Brief viel Gleichlautendes geschrieben ist, habe ich ihn entsprechend gekürzt.
"..., dass Pastor Backhausen nicht nur schon sehr bei Jahren, sondern
- vom Schlage oder einem anderen Zufall so gerührt, dass er kaum Beine und Arme bewegen kann,
- blöden und schwachen Gesichts ist,
nicht voll hören und nicht vernehmlich reden kann,
- engebrüstig und für die hiesige große Kirche viel zu schwach ist, so
dass wir ihn nicht annehmen können.
Wir bitten, dass wir mit ihm verschonet bleiben mögen und hätten gern einen anderen nicht so alten
und schwachen Pfarrer, der sein Amt besser verrichten kann, der das heilige Abendmahl ausgibt nach dem schon
über 100 Personen ein großes Verlangen haben.
In unserer volkreichen ohne die vom Adel über 800 Seelen zählenden Gemeinde fallen zum öfteren
Amtsverrichtungen bei Kranken, Kindstaufen, Hochzeiten und Gestorbenen an, und fast alle Sonntage sind
um 100 Personen in der Kirche.
Ein halbes Jahr haben wir das Unglück gehabt, ohne einen eigenen Prediger zu leben und Prediger von
auswärts holen müssen.
Allein das Unglück mit dem alten schwachen Prediger Backhausen ist noch größer.
Sämtliche Eingepfarrte zu Gestorf bitten die gnädige Verordnung ergehen
zu lassen, dass das Stift Loccum dieser volkreichen Gemeinde Gestorf ein Subjektum zum Seelsorger wieder vorstellen solle,
einen Seelsorger, bei dem sie nicht Sorge hätten, dass er zu frühzeitig wieder abgehen würde.
Die Gemeinde hätte zwar Unkosten gehabt, indem sie schon 21 Wagen zur
Abholung für des Pastors Backhausen etliche Sachen von Bakede zu holen hätte hergeben müssen.
Weil aber noch viele Wagen zum weiteren
Herholen verlangt werden, erbietet sich die Gemeinde Gestorf, damit der Pastor Backhausen wieder schneller wegkommen kann,
die bisherigen Unkosten zu verschmerzen und ihn außerdem wieder mit allen seinen Sachen umsonst nach Bakede zu bringen...
Sämtliche Gemeinde und Eingepfarrten zu Gestorf".
Pastor Hermann Backhausen ist wenige Tage nach seinen verunglückten Probepredigten gestorben.
Das Kloster Loccum schlug dann den Studiosus der Theologie Heinrich Joachim König für die Pfarrstelle
in Gestorf vor.
Nach der am 2.Februar 1711 gehaltenen Probepredigt erhielt dieser von der Gemeinde Gestorf die Einwilligung.
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