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Kurzgeschichten


Dr.Alfred Harms

Vorwort

Geburt - Die Familie Prelle

Mein Heimatdorf Gestorf - Mein Vater - Unsere Wohnung

Doktor Fritze Thies, ein rauhbeiniger Landarzt aus Bennigsen

Meines Vaters Garten
tausende von Schneeglöckchen

Gartenspiele mit Nachbarskindern
Das Eingemachte

Die Hühner

Zweimal war im Winter Schlachtefest

Meine 3 kleinen Kaninchen und der große Kater

Ernst Lampe

Als Schüler in der Gestorfer Schule

Freude am Unfug
verführerisch langen Mädchenzöpfe

Der hohe Herr Schulrat aus dem Lande Sachsen

Kirche und Kirchgang am Weihnachtsabend

Ich musste die Betglocke zum Schlagen bringen

Spiele und Abenteuer in der Kirche

Wir spielten die neuesten Schlager auf der Orgel

Mit Zwillen-Geschossen ließ Hilmar die Uhrenglocke neunmal schlagen

Regenrinnenblei vom Kirchendach

Windhose im Mai 1903

Knabenschlachten

Das Eselgespann Hans und Grete

In der Haller fingen wir Krebse

1912 Kaisermanöver

1914 Der I. Weltkrieg

Pänder Wöhlecke

Brennholzversteigerung - Holzhacken

Mutter war für die Herstellung von Johannis- und Stachelbeerwein zuständig

Wir spielten auf dem Gut der v.Ilten

Lady, unsere kleine Terrierhündin

In der Haller fingen wir Krebse

Leider gab es in Gestorf weit und breit weder Fluß, noch Bach oder gar eine Badeanstalt. Nur die kleine Haller zwischen Gestorf und Eldagsen plätscherte ihre wenigen Wasser in 3 - 4 Meter Breite träge durch die Hallertalwiesen. An einigen Stellen konnte man sich bei einem halben Meter Tiefe wenigstens ins Wasser legen und sich erfrischen.

Doch die Haller hatte eine andere Attraktion: Flußkrebse, die in ihren besten Exemplaren 20 Zentimeter lang wurden. Die Steilufer der Haller waren noch nicht verschilft, und die Ufer bestanden unter Wasser weiterhin aus hartem Lehm und Ton. Das war für die Krebse wichtig, denn nur in hartes, reines Uferbereich trieben sie ihren Höhlen, runde Gänge von etwa 5 Zentimeter Durchmesser. Die Krebse ließen sich nicht einfach schnappen. Tagsber lagen sie so in ihren Höhlen, dass ihre Fühler in das Wasser hinausragten. Die Höhlen führten so tief in das Erdreich, dass sich die Krebse immer mit ihrem ganzen Körper darin verbergen konnten und noch Spielraum behielten.

Einen Krebs zu überlisten war sehr schwierig. Da musste jeder seine eigene Methode entwickeln. Manche gingen mit Grabwerkzeugen an die Löcher heran, das brachte aber selten einen Erfolg. Man brauchte dabei sehr viel Zeit, um in dem harten Boden voranzukommen. Wenn man dann glaubte, ihn endlich zu schnappen, gelang es dem Krebs fast immer, mit einem plötzlichen Schwanzschlag aus dem vom Graben erweiterten Loch und dem lehmig gewordenen Wasser zu entwischen.

Meine Methode war im Grunde einfach, weil sie auf das Verhalten des Krebses abgestellt war. Ich tastete zunächst die Lehm- oder Tonwand nach einem Höhlenloch ab. Fand ich eins, so ließ ich es weiter ungeprüft, wenn es auch nur eine Spur von Schlamm oder Moder enthielt. In solch einem Loch war mit Sicherheit kein Krebs drin, dieser hielt seine Wohnung piksauber.

In ein sauberes Loch tastete ich mit dem Zeigefinger vorsichtig hinein. Der Krebs hatte den Finger längst bemerkt und wich in die Höhle zurück. Ganz langsam und ruhig fuhr der Finger in den Bau, und schon bald spürte er sachte die Fühler und Scherenspitzen. Sofort zog sich der Krebs noch weiter in seinen Bau zurück. Jetzt musste ich mit dem Zeigefinger, und wenn das Loch groß genug war, gar mit der Hand langsam, immer wieder ganz langsam nachrücken. Bei der nächsten Berührung mit dem Krebs zog ich den Finger erst zurück und fühlte dann vorsichtig wieder vor. Bei jeder weiteren Berührung zuckte ich wieder zurück. Der Krebs sollte den Eindruck gewinnen, der unbekannte Eindringlich hat Angst. Unter diesem Eindruck bekam der Krebs Mut, stieß bei der nächsten Berührung schnell vor und versuchte, den Feind mit seinen Scheren zu zwicken oder gar zu fassen. Jetzt begann der entscheidende Teil. Ich musste das Tier in Sicherheit wiegen, aber gleichzeitig auch reizen und dazu meinen Zeigefinger immer wieder, aber jedesmal weniger weit vordringen und ihn auf diese Weise verlocken, näher zur Öffnung zu kommen. Dabei musste in Kauf genommen werden, dass er mit den Scheren blutende Schrammen in die Fingerkuppen riss. Mein Ziel war, ihn soweit an die Höhlenöffnung zu bringen, dass ich im günstigen Augenblick mit Daumen und Zeigefinger eine Schere fassen und festhalten konnte. Wenn ich ihn so hatte, musste ich erst stillhalten, denn der Krebs merkte sofort die Gefahr. Die einzelnen Tiere verhielten sich dann unterschiedlich. Einige ruckten zurück und ließen sich dabei auch die festgehaltene Schere ausreißen. Sie verschwanden in den Hintergrund der Höhle und dann waren sie in der Regel für diesen Tag entkommen. Eine verlorene Schere wächst den Krebsen schnell nach.

Andere Krebse stießen aber, wenn eine Schere festgehalten wurde, wütend mit ihrer zweiten Schere vor und zwickten und zwackten, um freizukommen. Jetzt galt es, den richtigen Moment zu erfühlen - zu sehen gab es nichts - und beide Scheren festzuhalten. Wenn das glückte, war die Schlacht gewonnen. Der Krebs hatte nicht mehr die Möglichkeit, sich entgegenzustemmen. Ich zog ihn aus der Höhle und steckte ihn in ein Säckchen.

Ein Krebsfang war immer wieder ein packendes Erlebnis, aber man musste selbst immer dabei mächtig aufpassen. Ich habe auch meine Zeit gebraucht, den Krebsfang zu lernen. Später haben Hamelner Klassenkameraden, die mich in den Ferien besuchten und die ich mit zur Haller zum Krebsfang mitnahm, nie einen Fang gelandet. Geschmeckt haben uns die Leckerbissen herrlich.

Bislang hat mir bei einem Galaessen kein Krebs oder Hummer so vorzglich gemundet, wie damals diese Krebse aus der Haller.

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